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Archive for August 2010

Seit drei Wochen sind wir zurück und ich habe immer noch nicht angefangen darüber zu schreiben, obwohl ich es fest vorhatte. Ein Grund ist die Scheu vor dem neuen Genre Reisebericht. Ausschlaggebender aber ist, dass mich meine Eindrücke immer noch so beschäftigen, dass sie sich nicht in eine wie auch immer geartete Ordnung bringen lassen wollen. Schon gleich gar nicht in ganze Sätze. Der Versuch:

Eine Einladung zu einem Geburtstagssegeltörn in der kroatischen Adria ließ uns die Entscheidung treffen, den sommerlichen Familienurlaub ganz nach Kroatien zu verlegen, keiner von uns war jemals da gewesen und überhaupt hatte ich in den letzten Jahren viel Gutes über Ferien in Kroatien gehört. Ich habe durchaus die Tendenz, vor allem das südliche europäische Ausland als Urlaubsregion wahrzunehmen und wenn ich dort bin, fällt mir auf, wie herzlich wenig ich über die Nachbarn weiß. Das sollte auch dieses Mal nicht anders sein.

Die Idee war, auf dem Weg ans Meer in der berühmten Gegend Halt zu machen, in der die Winnetoufilme gedreht wurden und die überhaupt atemberaubend spektakulär sein soll. Der Name war mir entfallen, aber eine kurze Recherche ergab, dass es sich um den Nationalpark Plitvička Jezera – Plitvizer Seen – handelt, seit 1979 bereits UNESCO-Weltnaturerbe. Und, mir nun nicht so geläufig, ehemaliges Kriegsgebiet, was sich unter anderem darin äußert, dass zwar der Nationalpark selbst größtenteils wiederhergestellt und gut begehbar ist, im weiteren Umland allerdings davor gewarnt wird, von den befestigten Wegen abzugehen, weil noch nicht alle Minenfelder vollständig geräumt wurden.

Ich war noch nie irgendwo, wo offensichtlich und augenscheinlich ein Krieg stattgefunden hat und ich habe diese Augenscheinlichkeit nach 15 Jahren nicht mehr erwartet. Ich hatte gar nichts erwartet, ich hatte gar nicht darüber nachgedacht.

Doch zurück zu unserer Reise. Wir richteten uns für eine knappe Woche in unserer im Internet gebuchten Ferienwohnung in Rakovica ein. Das Angebot ist groß, sehr groß, in jedem Ort an der Hauptstrecke zu den Seen weist ein Schilderwald auf die unzähligen zu vermietenden Zimmer und Apartments hin. Auf der Reise mit Familie würde ich vermutlich trotzdem wieder im Vornherein buchen. Die Ausstattung der Wohnung war sehr einfach, die Lage in Ordnung, ein Anbau an das Wohnhaus der jungen Vermieterfamilie, quasi in ihrem Garten. Dafür war die Nacht mit 75 Euro relativ teuer. Ich weiß nicht, was ortsüblich ist, aber ich gönne es der Familie, zumal ich nicht weiß, woraus sie sonst noch ihren Lebensunterhalt bestreitet.

Außer dem Nationalpark gibt es noch kleinere Sehenswürdigkeiten, u.a. die Barac-Höhlen, drei der für das Karstgebiet typischen Tropfsteinhöhlen, von denen eine begehbar ist. Wir wurden professionell geführt in Deutsch und Englisch von einem durchaus attraktiven, von seiner Tätigkeit allerdings offensichtlich eher genervten jungen Mann mit langem schwarzen Haar. Ich weiß, dass Touristen keine angenehmen Menschen sind, dass sie nicht zuhören, sich nicht an die einfachsten Regeln halten. Aber ich mag es dennoch nicht, wenn man mich behandelt wie einen Idioten, vor allem dann, wenn ich mich nicht wie einer benehme. Interessant wars allemal, mit auf den Weg wurde uns die Warnung gegeben, keine der unzähligen Höhlen im Karstgebiet Kroatiens jemals allein zu besichtigen: „Überlassen sie dies den Experten.“ Relativ häufig scheint es menschliche Knochenfunde in den Höhlen zu geben – bisher leider keine prähistorischen, sondern nur aus den beiden Weltkriegen und dem nicht lange zurückliegenden ‚Heimatkrieg‘.

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Ausnahmsweise schon am Montag abend: aus was kann man so raus wollen, war die Frage und wie immer brilliant und unterhaltend gelöst: natürlich aus einem Fahrstuhl, vor allem, wenn man gerade einen Mord an einem Mann begangen hat, dessen wunderschöne Frau im Cafe auf einen wartet, um gemeinsam in die Freiheit zu entfliehen. Aus dem Fahrstuhl zum Schafott (Ascenseur pour l’échafaud) eben. Der liebe Freund hat es sich in einer kleinen unaufdringlichen Mission zum Ziel gesetzt, meine pauschalisierend negative Haltung gegenüber französischen Filmen zu modifizieren, und wenn er so weiter macht, schafft er es auch.

Natürlich lag eine Verwechslung vor, als ich ihn im letzten Beitrag eines überbordenden Humors bezichtigt habe, ich dachte die Reihe ist an jemand anderem. Derjenige ist aber erst nächste Woche dran mit der Vorgabe „Die Unzertrennlichen“. Ein weites Feld.

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Huch, schon wieder fast Dienstag, und ich habe noch gar nicht berichtet, was es letzte Woche gab, und wohin es diese Woche geht. Das Motto hätte zu einem Boxerfilm führen können, hat es aber nicht…sondern zu einem spektakulären Fluchtversuch und das folgende Sich-durch-Nazideutschland-schlagen von britischen und US-amerikanischen Kriegsgefangenen in The Great Escape.

Wiewohl historisch nicht korrekt und doch auch eine arge Verharmlosung mag ich den Film, nicht zuletzt wegen der hochkarätigen Besetzung mit Haudegen und sonstigen männlichen Helden wie Charles Bronson, Steve McQueen, James Garner. Interessant fand ich, dass nur einer meiner cineastisch weitaus gebildeteren Filmfreunde das Werk, welches zumindest im europäischen, englsichsprachigen Ausland zum Kanon gehört, überhaupt kannte. Und dass trotz allen Lächerlichmachens der Nazis auch hier am Mythos der ehrbaren Offiziere der ‚guten‘ Wehrmacht vs. der ‚bösen‘ Gestapo und SS gestrickt wird.

Nichts liegt näher als dem nächsten Abend den Titel „Ich will hier raus“ zu geben und zu hoffen, dass uns der gelegentlich überbordende Humor des Auswählenden nicht eine Vollstaffel debiler Privatsenderunterhaltung beschert.

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So langsam bin ich angekommen. Nicht in der Wohnung: die Eroberung des einen, noch nicht begehbaren Zimmers kostet die mühsam erreichte Bewohnbarkeit der Restwohnung. Im Klartext: es sieht schlimmer aus als bei Hempels unterm Sofa, der Wiederfindungsindex ist im Minusbereich angelangt. Aber wir sind dran. Es ist ein bisschen wie funktionierende Homöopathie, es muss erst schlimmer werden, bevor es gut wird. Sagt man.

In erster Linie ist der Mann hier gefragt: es ist sein altes Regalsystem, er hat die Erfahrung und die Vorstellung, wie es sein muss, wie es hält. Als technisch rudimentär begabte Nichthandwerkerin kümmere ich mich derweil ums Kind, sorge fürs leibliche Wohl und schließe die Stereoanlage wieder an. Beide Boxen funktionieren. Außer man spielt eine Schallplatte (nochmal langsam und zum Mitschreiben: eine Langspielplatte aus Vinyl) ab, dann geht nur einer der beiden Lautsprecher, vermutlich ist entweder der Kontakt am Plattenspieler oder der am Verstärker im Eimer. Aber immerhin.

Wenn ich es nicht mehr aushalte gehe ich raus. Es gefällt mir gut in meinem neuen Kiez und langsam werde ich auch mutiger, verlasse die bereits bekannten Pfade und Bäckerläden, probiere auch aus, wofür ich keine Empfehlung vom Kenner habe. Oder endlich eine der vielen Empfehlungen, je nachdem.

Neue Alltagswege gilt es zu finden, zum Beispiel zum Kindergarten. Das eröffnet Perspektiven, bietet neue Möglichkeiten, lässt mir das Unbekannte ein kleines bisschen vertrauter werden. Ich liebe es, in Berlin Fahrrad zu fahren, habe ich das schon erwähnt? Für mich ist es die beste Art, mir die riesige Stadt kleinteilig zu erschließen, auch nach mehr als 10 Jahren noch. Und was ich besonders liebe, sind die kleinen Oasen, die Strecken, die einen Moment Ruhe vermitteln, die so ganz anders sind und doch so typisch: die Bärenbrücke in Moabit, am Kanal und alten Industriegebäuden entlang von Charlottenburg nach Moabit, am Bellevue links ab zum Englischen Garten.

Und nun eben am Lietzensee entlang zur Kita. Der Weg ist noch nicht optimal, eher am Wasser oder eher näher an der Böschung, Fahrrad unten stehen lassen oder die Treppen hinauftragen? Eine frühere „Ausfahrt“ suchen? Aber ich habe noch ein paar Jahre Zeit, das wird sich finden. In jedem Fall kann ich sie genießen, die Stimmung morgens am Wasser, geteilt von ein paar Joggern und Walkern, Müttern mit Kinderwagen und Senioren beim Frühsport an den öffentlichen Fitnessgeräten. Hübsch hier, in Charlottenburg.

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Die kleine Tochter geht jetzt in der Kindergarten. Am dritten Tag sagt sie nach dem Absteigen vom Fahrrad zu mir: „Du gehst hinter mir.“ Sie drückt die Ellenbogen nach außen, schiebt sie im Wechsel nach vorn und nach hinten und stapft so breitschultrig, wie eine Dreijährige sein kann, durch das Tor in den Hof der Kita. Ich übergebe sie ihrer Erzieherin und setze mich auf die Terrasse, bleibe verfügbar, falls sie mich nochmal braucht, so wie ein paar andere Eltern auch. Nach einer Viertelstunde kommt sie und sagt: Tschüß, Mama. Du kannst jetzt gehen.“

Mir einredend, dass nur zufriedene Kinder sich so leicht vom Nest und den zugehörigen Insassen trennen, radle ich in Gedanken zurück.

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Englische Denkart

Vor kurzem sprach ein Freund aus, was ich mir schon lange gedacht hatte: „Englische Kinderbücher sind seltsam. Ich verstehe sie nicht.“

So geht es mir seit langem. Ich merke auch gleich beim Lesen – nicht beim Blick auf den Buchdeckel – wenn es sich um ein englisches Kinderbuch in Übersetzung handelt: mir fehlt der Sinn. Vielleicht kommt hier das ganze Ausmaß einer kulturell, geschichtlich, geographisch, wie auch immer anders geprägten Denkweise zum Tragen. Und ich bin froh, dass es offensichtlich nicht nur mir so geht, ich dachte, das kannst Du doch nicht zugeben, dass Du Kinderbücher nicht verstehst?

Aber ehrlich, ich weiß oft einfach nicht, um was es ihnen geht, auf was sie hinauslaufen, wozu sie erzählt wird, die Geschichte von Goldilocks, dem kleinen Mädchen, das von allen Porridgetellern der Bärenfamilie probiert und am Ende im Bett des kleinen Bären einschläft, um dann wegzulaufen als sie entdeckt wird. Wo läuft sie hin? Hat sie Angst vor den sprechenden, Haferflockenbrei kochenden, Sonntags spazierengehenden Bärchen? Warum ist das gleichzeitig gekochte Essen auf dem Teller des Vaters zu heiß, auf dem der Mutter zu kalt? Wenn der Stuhl des Bärenkindes angeblich so perfekt ist, warum geht er kaputt als sie sich auf ihn setzt?

Very strange, indeed. Und, nein, ich mag gar nicht wissen, wie deutsche Bilderbücher in Großbritannien aufgenommen werden.

Beim Lesen eines sehr nachdenklich stimmenden Textes über Meinungsfreiheit und die Notwendigkeit, dann auch blöde Meinungen ertragen zu müssen, bin ich auf das schweizerdeutsche Äquivalent einer englischen Redensart gestossen: Dä Füüfer unds Weggli. Mag heißen, dass es eben nicht geht, das Fünfrappenstück zu besitzen und das Brötchen, das damit erstanden wird. Oder eben doch. Oder wie?

So wie Du nicht den Kuchen haben kannst und ihn aufessen: you can’t have your cake and eat it too. Aber wozu möchte ich ihn denn dann haben? Was soll ich mit einem Kuchen, den ich nicht essen kann? Verschimmeln lassen? Ich kann mir nichts kaufen damit, mit den fünf Rappen vielleicht schon (früher wenigstens einmal ein Brötchen). Das ist handfest, das verstehe ich ohne weiteres. Vielleicht ist Bob Dylan auch nicht damit klargekommen, deshalb singt er einfach: „You can have your cake and eat it too.“?

Schade jedenfalls, dass ich Schweizerdeutsch so gar nicht aussprechen kann, kein neuer weiser Spruch in meinem aktiven Sprachschatz.

PS.: Eine erträgliche Verarbeitung des Goldilocksmotivs habe ich übrigens in Jasper Ffordes The Fourth Bear. A Nursery Crime gefunden.

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…auch in schweren Zeiten, auch in Kriegszeiten. Zur Stärkung der Truppenmoral und zum Überleben. Vor allem um letzteres geht es den Akteuren in Carlos Sauras ¡Ay, Carmela! vor dem Hintergrund des spanischen Bürgerkrieges. Und der Film dreht sich unter anderem um die Frage: wie lange kann man die eigene Überzeugung, die eigene Moral, die eigenen Werte kompromittieren, und wann ist das eigene Überleben das nicht mehr wert? Saura gibt, wie auch unsere nachfolgende Diskussion gezeigt hat, darauf übrigens keine Antwort. Das wäre zu einfach und ergäbe vermutlich dann keinen guten Film mehr.

„Wir schlagen uns so durch.“ Eine Sichtweise auf das Geschehen und mein nächstes Motto.

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